Starten wir mit jemanden, den ich wie so viele andere vor einiger Zeit entdecken durfte.
Lasst mich euch eine Geschichte erzählen. Es mag sich wie eine Legende anhören, doch laut seinen ursprünglichen Erzählern, ist jedes Wort wahr.
Wir versetzen uns zurück in die späten 1970er Jahre. Im fernen Südafrika beginnt es zu brodeln. Das Apartheid-Regime hat das Land fest im Griff und Südafrika ist weltpolitisch isoliert.
Ein junges Mädchen aus den USA besucht einen Freund in dem diktatorischen Land und bringt ihm eine Schallplatte aus ihrer Heimat mit. Sie selbst kannte den Künstler kaum, fand ihn jedoch ganz nett und dachte wahrscheinlich, dass es ein nettes Geschenk sei.
Das Album, dass den Namen "Cold Fact" trug, stammte von einem Mann, der sich so ähnlich anhörte, wie Bob Dylan. Nur besser. Sein Name lautete schlicht "Rodriguez".
Es schlug ein, wie eine Bombe. Durch Raubkopien verbreitete sich die Platte über das ganze Land und wurde zum Motor der Revolten und der Revolution in Südafrika.
Die Texte drehten sich um das Leben der Menschen. In dem Song "Sugarman" zum Beispiel, geht es um den Missbrauch von Drogen. Es ist ein bittersüßes Stück, teilweise mit verstörend psychedelischen Synthesizer-Effekten, teilweise nur der melancholische Klang einer Konzertgitarre. Wie ein Drogenrausch.
In "I Wonder" wird es etwas politischer, so existiert in einer Strophe die Zeile "I wonder how many times you've had sex". Eine Aussage, die im prüden Südafrika fast schon skandalös war.
Ein Atomschlag gegen das Regime stellte der "Establishment Blues" dar, der offen die Obrigkeit kritisierte. Dieser Song wurde vom Regime auch regelmäßig zensiert. Die Tonspur auf der Platte wurde schlicht ausgekratzt.
Folk in seiner feinsten Form. Rodriguez war in Südafrika bekannter als Elvis oder Dylan und auch das zweite Album "Coming from Reality" schlug entsprechend ein.
Doch wer war dieser Mann? Fest stand: nach dem Ende der Apartheid 1994 stellten viel Südafrikaner fest, dass absolut niemand außerhalb ihres Landes jemals von einem solchen Künstler gehört hatte. Kein Name, kein Wohnort, nichts.
Fans begaben sich auf die Suche. Niemand fand ihn.
Manche behaupteten, er hätte sich nach Erscheinen seines zweiten Albums 1970, für welches er mit dem Produzenten von u.a. Miles Davis zusammengearbeitet hatte und welches ebenso wie sein erstes Album auf gloriose Weise scheiterte, vor laufendem Publikum in den Kopf geschossen.
Andere sagten, er habe sich auf der Bühne aus Trauer über seinen Misserfolg in Brand gesteckt.
Alle hielten Rodriguez für tot.
Doch eines Tages im Jahr 1998 meldete sich bei dem Organisator der Suchaktion, der den klingenden Spitznamen "Sugar" trägt, eine junge Frau.
"Ich bin die Tochter von Rodriguez. Mein Vater lebt. Er wohnt zusammen mit mir und meinen zwei Schwestern in Detroit."
Es folgte das wahrscheinlich rührendste Comeback der Musikgeschichte.
Was war geschehen? Sixto Rodriguez war ein einfacher Mann, der sich neben seinem Job als Möbelpacker oder Abriss-Arbeiter ein kleines Geld als Barmusiker verdiente. Seine Songs schrieb er selbst. Zudem drehte er manchmal dem Publikum den Rücken zu, damit man mehr auf das hörte, was er sang, anstatt ihn wegen seines lateinamerikanischen Aussehens zu beurteilen. (Wir alle kennen die Amerikaner...)
Irgendwann wurde er von ein paar engagierten Musik-Produzenten entdeckt und sie überredeten den schüchternen Mann, ein Album aufzunehmen.
So geschah es, doch obwohl Kritiker den Mann als "neuen Dylan" feierten und seine Musik vergötterten, scheiterte es kläglich. Es wurden nur ein paar Dutzend Alben in den USA verkauft.
Ein Jahr später ging Rodriguez nach London und nahm unter meisterhafter Leitung seitens seiner Produzenten ein weiteres Album auf. Auch dieses war ein grandioses Kunstwerk und ein noch grandioser Flopp.
Danach zog sich Rodriguez aus dem Künstler-Leben zurück und schuftete Jahrzehntelang weiter, um seine Familie zu ernähren. Seine Tochter erklärte später, dass sie bis zu ihrem 10. Lebensjahr teilweise mehrmals im Jahr umzogen, um die Miete zu bezahlen.
Rodriguez erfuhr bis zu diesem Tag im Jahr 1998 niemals etwas von seinem enormen Erfolg auf der Südhalbkugel. Ebenso wenig sah er auch nur einen Cent aus den Verkaufserlösen.
Man überredete ihn trotz seiner anfänglichen Skepsis zu ein paar Konzerten. Er dürfe auch seine Familie mitnehmen, für Unterkunft und Verpflegung sei gesorgt.
Der inzwischen ältere Mann, willigte schulterzuckend ein und glaubte zunächst, er gäbe nur ein paar Konzerte vor eingefleischten Fans. 20, vielleicht 30 Personen.
Bis er in dieser Konzerthalle stand.
Vor ihm zehntausende Fans.
Sie glaubten zunächst alle nicht, dass er der "echte" Rodriguez sei, doch als er "I Wonder" anspielte, brachen die Emotionen los.
Wenn ich mir dies alles so anhöre, dann scheint das für viele Fans in Südafrika gewesen zu sein, als wenn ein Totgeglaubter nur für sie aus dem Himmel herabgestiegen sei.
Von da an gab er Konzerte in Südafrika, Australien und Neuseeland, wo er inzwischen ebenfalls recht bekannt war. Mittlerweile hat der alte Mann einen südafrikanischen Enkelsohn und tourt regelmäßig durch das Land.
Zudem wurde am 27.12.2012 eine Doku über ihn veröffentlicht, die unter anderem den Oscar als "Bester Dokumentarfilm" erhielt.
Leute, guckt euch "Searching for Sugarman" an! Ich habe hier mal den Trailer eingesetzt ;)
Was halte ich nun von alle dem?
Ich bin mir nicht sicher, ob ALLES, was die einem da erzählen, der Wahrheit entspricht. Vielleicht wurde die Story auch ein bisschen getuned ;)
Aber nichts desto trotz ist Rodriguez ein wahnsinnig guter Songwriter und Musiker. Und nach all der Zeit hat der Mann es verdammt nochmal verdient, dass man ihn hört.
Außerdem gefällt mir die Musik wirklich ^^
Allen, denen Folk der 60er und 70er Jahre zusagt, kann ich diese Alben wirklich ans Herz legen. Vor allem, weil viele seiner Texte aufgrund der europäischen Krise und der allgemeinen Stimmung der Gesellschaft in Deutschland eine bedrückende Aktualität haben.
Bei dem Song "Cause" zieht sich mir regelmäßig der Magen zusammen. Ebenso, wie bei "Crucify your Mind".
Alle, die etwas gegen "schwere Kost" im textlichen Sinne haben, sollten allerdings vielleicht einen Bogen hierum machen. All jenen, denen der Text egal ist und die einfach auf melancholischen bis wütenden Folk stehen, kann ich das Album ebenfalls empfehlen.
Viel Spaß damit!
Liebe Grüße
Blackocean
PS Übrigens: Viele seiner Songs sind auf der Gitarre recht einfach zu spielen und es macht einen Riesen-Spaß, sie zu spielen! Zuhörer gehen regelmäßig voll auf die Lieder ab ;) ich spreche aus Erfahrung.
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